Witzwort vertellt

44: Die Bäckerei im Glockensteg

Das Haus ist 1881 als Bäckerei erbaut worden. Zunächst war hier Bäcker Thamsen tätig. Seit 1938 ist die Bäckerei im Besitz einer Familie: Bruno Boysen kaufte sie zusammen mit seiner Mutter von Bäcker Paysen. Nach dem Krieg heiratete er Nanny Boysen. Boysens Nichte Carla übernahm 1965 mit ihrem Mann Reinhard Ploog den Betrieb. 

Als Kind war Carla Ploog oft in Witzwort bei Tante und Onkel – und hat hier von Gretchen Agge um 1950 das Fahrradfahren gelernt. Als Onkel Bruno sie dann mit dem Fahrrad, das er ihr geschenkt hatte, zurück nach Fahretoft gebracht hatte, wollte Carla ihrer Mutter ganz stolz die neuen Fahrkünste vorführen. Von der Warft runter ging es ganz leicht, aber ein bisschen schnell, so dass sie nur noch das Heckloch ansteuern konnte und dann geradewegs im Graben landete. Das Bremsen hatte sie im flachen Witzwort nicht gelernt.
Mit einem Fahrrad, das vorne einen großen Kasten hatte, in dem die frischen Brote lagen, fuhr Bruno Boysen die Bäckerwaren im Dorf aus. Nichte Carla durfte dann schon mal oben auf dem Kasten thronen. Der Onkel kutschierte sie und sang dazu „An de Eck steiht ´n Jung mit´n Tüddelband“ oder das Lied von den Fröschen: „Die Frösche, die Frösche, ist das nicht wunderbar? Die brauchen sich nicht zu kämmen, die ham ja gar kein Haar…“. Bruno Boysen liebte es zu singen, er war auch Mitglied in der Witzworter Liedertafel. Bei Festlichkeiten trug er gern die „Kattenhochtied“ vor. Als Rentner wohnten die Boysens am Rosenmarkt (Nr. 1).

Als Pastor Wulf neu in Witzwort war und noch unverheiratet, kriegte er öfters bei Nanny Boysen Mittagstisch. Und war der Tisch schon voll besetzt, dann nahm er auf der Treppe in der Backstube Platz, froh, ein warmes Essen zu kriegen.

Bis in die 1990er Jahre lieferte die Bäckerei zweimal wöchentlich auch in den Außenbereich. 1996 übernahmen dann Michael Reimers und seine Frau Birte, geb. Ploog, die Bäckerei. Sie mussten Ende 2002 schließen, da Bäcker Reimers seinen Beruf krankheitsbedingt nicht mehr ausüben konnte und sich kein Käufer für den Betrieb finden ließ. Zum reinen Wohnhaus umgebaut, dient die alte Bäckerei heute den Familien Ploog und Reimers als Zuhause. Und im Treppenaufgang hängen vier Kachelkunstwerke, die von Veronika Hambruch geschaffen wurden. Sie zeigen die verschiedenen Bauzustände des Bäckerhauses. Veronika Hambruch war die Frau von Pastor Hambruch, der von 1976 bis 1979 in Witzwort tätig war. Auf der hier gezeigten Kachel hat sie 1979 die Bäckerei und ihr Umfeld dargestellt – detailgenau mit dem Ladeneingang, der Friedhofskapelle, die heute als Garage dient, und sogar mit dem VW Käfer von Gerd Wilhelm Strangmeyer, der damals im ersten Stock der Bäckerei wohnte.   

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