Witzwort vertellt

21. Ein Stück Italien im Haubarg

Im alten Haubarg im Nordenderweg 4 empfängt einen, wenn man das Haus betritt, ein echter Terrazzoboden. Magdalene Donau berichtet, dass ihre Eltern den Boden 1939 haben legen lassen.

Die fast 75 Jahre, die der Boden „auf dem Buckel hat“, sieht man ihm nicht an. Sicher gibt es ein paar Risse, wie sie typisch für die Böden in Marschhäusern sind, aber die Farben leuchten noch wie neu.
Der Terrazzo hat in Nordfriesland eine lange Tradition. In vielen Bauernhäusern findet man sie auch heute noch, die Fußböden aus Natursteinchen, die in Zement liegen. Diese Böden sind äußerst belastbar, stabil, staubfrei, leicht zu reinigen – und sehr schön! Denn da die Böden vor Ort hergestellt werden, können die Ornamente jeweils optimal eingepasst werden, z.B. das typische „Würfelband“, das auch auf dem Foto zu sehen ist.

So entsteht „Walzterrazzo“ nach der klassischen italienischen Methode: Zunächst wird eine Tragschicht aus Zement hergestellt. Wenn dieser Estrich noch „erdfeucht“ ist, d.h. begehbar aber noch nicht komplett ausgehärtet, bringt man die Terrazzomischung auf. Sie besteht aus Zement mit Steinchen (Marmor oder Hartkalksandstein) in einer Mischung von 1 zu 2 Raumanteilen. Diese Schicht verdichtet der Terrazzoleger mit einer Handwalze. Dabei werden die Steinchen zusam¬men¬geschoben, so dass der überschüssige Zement nach oben rausgedrückt wird und mit einem Schwamm abgenommen werden kann. Nachdem der Boden zwei Tage getrocknet ist, schleift und poliert der Handwerker ihn, so dass eine glatte, glänzende Oberfläche entsteht.

Terrazzoböden sind oft mit Bordüren oder anderen Ornamenten, Schriftzügen oder Wappen verziert. Solche Bilder stellt der Terrazoleger im indirekten Verfahren her. Er klebt das Motiv mit der Oberseite nach unten auf eine Leinwand oder auf Papier, wendet das Ganze um und drückt die Unterseite in den Estrich. Die Steine für diese Bilder schlug sich der Handwerker vor Ort zurecht. Zur besseren Farbwirkung wurde auch gefärbter Zement eingesetzt.  

Terrazoböden wurden in  Deutschland ab 1850 populär. Italienische Handwerker brachten die Technik, die dort bereits seit dem 16. Jahrhundert angewendet wird, nach Deutschland. Seit 1895 wurden Terrazzomischungen fabrikmäßig hergestellt, was die Herstellung deutlich verbilligte. In Nordfriesland begann die Terrazzo-Ära um 1900: Luigi Toffolo und Carlo Manarin, zwei Terrazzoleger, ließen sich in Bredstedt bzw. Husum nieder. Sie stammten aus der italienischen „Terrazzo¬provinz“ Friaul und hatten das Handwerk bei Landsleuten in Elmshorn gelernt. Toffolo siedelte sich in Bredstedt in der Norderstraße 23 an. Manarin baute sich in der Schulstraße in Husum 1907 ein Haus, das er außen und innen mit Terrazzo verzierte.

In den großen Bauernhäusern ersetzten Terrazzoböden die bis dahin üblichen Ziegel- oder Sandsteinböden. Viele Häuser im 1926 eingedeichten Sönke-Nissen-Koog waren in Flur und Küche mit Terrazzo ausgestattet. Aber der Terrazzo blieb teuer wegen des großen Anteils an Handarbeit. In Nordfriesland wurden noch bis ca. 1950 neue Böden verlegt, danach nur noch Terrazzo-Platten, die nicht vor Ort gefertigt werden mussten, so z.B. im Multimar in Tönning.

Wo gibt es in Witzwort noch weitere Terrazzoböden? Die Archivgruppe würde sie gern fotografisch dokumentieren und interessiert sich auch dafür, wer die Böden gelegt hat.   
Quelle für die Informationen zur Technik und Geschichte: Maueranker, Heft 4, 12/1999.

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