Witzwort vertellt

59: "Uns Wachmeester"

Der letzte Polizist Witzworts hieß Ernst Paris. 1909 in Kiel geboren, trat er nach dem Krieg seinen Dienst in Witzwort an und wohnte zunächst im Kirchenweg. Im Jahr 1950 bezog er mit seiner Frau Jutta und den Kindern Dieter und Heidi in Witzwort das Diensthaus in der Dorfstraße 1 (neben dem Kaufmann), das dem Land gehörte.

„Zu seinem Dienstbereich gehörten Witzwort, Uelvesbüll und Koldenbüttel. Das Streifefahren und Unfälle aufnehmen erfolgte viele Jahre per Fahrrad mit Hund“ erinnert sich seine Tochter Heidi Starck. „Bei einem Einsatz in Büttel – das Wetter war saumäßig – ging er mit Rad und Hund im Sielzug baden.“ Später fuhr er dann im PKW auf Streife – zunächst mit einem DKW, den er allerdings selbst finanzieren musste. Die Tochter weiß auch noch, dass man beim Wachtmeister früher den Führerschein machen konnte: „Wenn man den Paragraphen 1 der Straßenverkehrsordnung fließend aufsagte, war die halbe Prüfung schon bestanden.“

Ernst Paris hatte eine durchdringende Stimme. Wenn er vom Wachtmeisterhaus aus jemanden zurecht wies, hörte man es bis zur Meierei. Peter Lesch erinnert sich, dass er seinen Cousin Manfred Ruß vom Bahnhof abholen wollte. Er fuhr mit dem Fahrrad und führte an zweites Rad am Lenker mit. Das sah der Wachtmeister von seiner Terrasse bzw. Veranda. Sein kräftiger Mahnruf schallte den Süden entlang. Und Peter stieg gehorsam ab und schob vor lauter Angst, noch einmal erwischt zu werden, mit beiden Rädern bis zum Bahnhof. Dass der Bahnhof überhaupt zu seinen beliebten Einsatzorten gehörte, hat Inge Claussen bis heute nicht vergessen: „Dort kontrollierte er gern die Fahrräder der Schülerinnen und Schüler. Hatte er die erste erwischt, musste man sehen, dass man schnell hinter seinem Rücken durchflutschte. Sonst hieß es nämlich schieben, wenn das Fahrrad von ihm als nicht verkehrstauglich eingestuft worden war.“

Ernst Paris war ein begeisterter Reiter, auch mal Ringreiterkönig. Es heißt, er soll versucht haben, zu Pferd in den Saal des Kirchspielkrugs zu reiten. Also die Treppe hoch in den ersten Stock! Ob ihm das gelungen ist?

Vor dem Auge des Gesetzes spielte sich bei Festen im Kirchspielkrug jahrelang folgendes ab: „In des Wachtmeisters Gartenhecke, die breit und dicht gewachsen war, ließ sich der Selbstgebrannte sicher verstecken und konnte im Laufe der Nacht, Flasche für Flasche, heimlich auf den Tisch gebracht werden! Wurde man denn doch (vom Krüger) erwischt, so musste das „Proppengeld“ wohl oder übel entrichtet werden“, so berichtete Monika Liermann im Haubarg. Es war damals vom Krüger akzeptiert, dass man seinen Schnaps selbst mitbrachte, sofern man pro Flasche einen gewissen Betrag entrichtete, das Proppen- oder Korkengeld. Für das Verfolgen von „Proppengeldbetrügern“ war der Wachtmeister aber nicht zuständig.

„Vater war für Recht und Ordnung, so hatten wir Polizistenkinder immer Vorbild zu sein“, erinnert sich Heidi Starck weiter. „Einmal habe ich Vater doch überlistet. Es gab Kino in Beckers Gasthof. Und an der Kasse passte der Wachtmeister auf, damit keiner reinkam, der das Alter noch nicht hatte. Es gab „Liane, das Mädchen aus dem Urwald“. Ich musste den Film unbedingt sehen, wurde doch ein nackter Busen gezeigt! Vorne reinzukommen – keine Chance, da saß Vater Paris. Meine Eltern waren aber mit Familie Becker gut befreundet, und so durfte ich durch die Küche in den zweiten Eingang zum Saal. Ich hatte zwei Stunden Angst und Vater hat mich auch nicht entdeckt. Dieter hatte mehr Mut und machte das öfter.“

Ernst Paris wurde 1969 pensioniert. Mit seiner Frau Jutta konnte er im Jahr 2001 die eiserne Hochzeit feiern – sie waren 65 Jahre verheiratet. Sie wohnten im Margarethe-Peters-Weg Nr. 8. Ernst Paris starb 2004. Im Wachtmeisterhaus wohnte nach ihm als letzter Polizist Hagen Güldenzopf, der aber sein Büro bereits in Friedrichstadt hatte.

Auf dem Foto ist Ernst Paris als 2. von rechts zu sehen. Mit ihm auf dem Bild (von links): Bürgermeister Ernst Behm, Klaus Bove und Johannes Bielenberg – die letzten drei in Feuerwehruniform. „TÖN“ war das Kennzeichen des bis 1970 existierenden Kreises Eiderstedt. Im Hintergrund der Kaufmannsladen (heute Edeka), links daneben das Buswartehäuschen, gern auch als Liebeslaube genutzt. Das Foto stammt aus den 1960er Jahren.

Quellen: Auskunft Heidi Starck, Haubarg-Artikel von Monika Liermann, Archivgruppe.

Zurück