Witzwort vertellt

88: Carl Blohm und die Eiderstedter Tracht

Als die Eiderstedter Tracht wieder "belebt" werden sollte, kopierte ein Tönninger Maler Bilder in den Eidersteder Kirchen - auch in Witzwort?

Im Witzworter Kirchenschiff hängt an der Südwand ein Ölbild von 1591 mit einem prächtig geschnitzten Rahmen. Komposition, Farbeinsatz und die vermutlich individuelle Portraitierung sind von hoher Qualität. Das Gedenkbild (Epitaph) ist Detlef Mummens gewidmet. Im Vordergrund der Kreuzigungsszene knien in Eiderstedter Tracht der Lehnsmann und seine „Husfrow“, deren Namen nicht genannt wird. Die Familie wohnte auf dem Mummschen Hof, der 1870 abgebrochen wurde. Der Hof lag im Osterende nahe der Mühle Catharina und gehörte zur Kirchengemeinde Witzwort.

In den 1920er Jahren versuchte man, die Eiderstedter Tracht wieder herzustellen. Als Fachmann für schleswig-holsteinische Landestrachten wirkte damals im Altonaer Museum Hubert Stierling. Er schrieb in seinem Aufsatz „Die Eiderstedter Tracht um 1600 und ihre kulturellen Grundlagen“: „In Eiderstedt sind keine greifbaren Reste alter Kleidungskunst erhalten. Was wir von den Kostümen wissen, verdanken wir lediglich der langen Reihe kirchlicher Epitaphien, auf denen die Frauen in der Landestracht erscheinen, und zwar in so regelmäßiger Wiederholung, dass wir von einer typischen Kleidung sprechen dürfen.“ Darum beauftragte man den Maler Carl Blohm, durch Eiderstedt zu reisen und Figuren in Tracht von historischen Gemälden in den Kirchen zu kopieren. Seine Studien befinden sich heute im Archiv des Altonaer Museums. Ein Ölbild mit vier Figuren aus dem Museum der Landschaft Eiderstedt in St. Peter ist online zugänglich.

Anlässlich der Tagung des Eiderstedter Geschichtsvereins im März 1927 in Tönning wurde die neue Tracht der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Eiderstedter Nachrichten kommentierten: „Eine größere Anzahl von Kartons, die vom Kunstmaler Blohm-Altona gezeichnet sind, und die uns u.a. auch die Trachten zeigen, wie wir sie auf den Epitaphien in den Kirchen zu Kating, Kotzenbüll, Witzwort usw. (…) vor Augen haben, war gleichzeitig ausgestellt.“

Die wiederbelebte „Eiderstedter Tracht“ wurde wohl nur vom Ende des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts von den wohlhabenden EiderstedterInnen getragen. Sie lehnte sich stark an die damalige spanisch-niederländische Hofmode an. Verheiratete Frauen – wie Husfrow Mummens auf dem Epitaph – trugen eine Flügelhaube aus weißem Batist und besticktem goldfarbenen Stoff, die unverheirateten Mädchen eine kleine Leinenkappe mit umgelegten Ecken.

Carl Blohm wurde 1886 in Tönning geboren, machte eine Malerlehre und besuchte dann in Hamburg die Kunstgewerbeschule. Nach Kriegseinsatz im 1. Weltkrieg versuchte er, sich in Hamburg als Künstler durchzuschlagen. Der Auftrag für die Kopien der Eiderstedter Epitaphien kam ihm vermutlich also gelegen. Später widmete er sich vor allem der Landschaftsmalerei und lebte in der Elbmarsch bzw. am Geestrand in Dägeling, von wo er in die Kremper Marsch blicken konnte. Nachdem er im Januar 1944 Verletzte aus einem abgestürzten amerikanischen Bombenflugzeug bergen half, kam er für einige Wochen in KZ-Haft. Er starb 1946.

Quellen: Hans-Jürgen Krähe: Carl Blohm – ein Maler aus Tönning (1886–1946), Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Tönninger Stadtgeschichte, Heft 19, 2000; Trachtentanzgruppe St. Peter-Ording; www.harbuch.de, Carl Blohm; Ölbild Eiderstedter Trachten: Museum der Landschaft Eiderstedt

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