Witzwort vertellt

93: Seit über 400 Jahren trotzen die Grabplatten der Witterung - wie lange noch?

Während der Kirchenrenovierung waren sie zum Schutz abgedeckt: die alten Grabsteine vor allem auf der Westseite der Warft. Jetzt sind sie wieder zu sehen.

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Die Grabplattenausschnitte zeigen: Kreuzigungsszene, Grabplatte Detlefs (3. von rechts, Westseite), Stier als Symbol des Evangelisten Lukas, Grabplatte Jones (1. von rechts, Westseite).

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Bis Mitte des 20. Jahrhunderts lehnten sie an der dortigen Kirchenwand, dann entfernte man sie, weil sie die Wand schädigten. Ihr "neuer" Platz tut ihnen allerdings nicht gut. Sie sind der Witterung ungeschützt ausgesetzt. So verschwinden die Inschriften und Bilddarstellungen mehr und mehr ...

Zum Glück dokumentiert das Buch "Die Kunstdenkmäler des Kreises Eiderstedt" (1939) die Steine samt ihren damals noch entzifferbaren Inschriften sorgfältig - leider ohne Fotos. Die Archivgruppe hat sich nun - 85 Jahre später - vorgenommen, den heutigen Zustand durch Fotos und Beschreibungen festzuhalten.

Zwei Grabplatten liegen vor der Südtür der Kirche, sechs im Westen oben auf der Warft und zwei weiter unten. Alle Grabplatten stammen aus der Zeit um 1600. Die verzeichneten Sterbedaten reichen von 1574 bis 1690. Zu dieser Zeit waren die Eiderstedter Großbauern reich und unabhängig. An sie, die oft auch Lehnsmänner waren, erinnern die Grabplatten - und an zwei Pastoren. Zumeist bestehen sie aus Sandstein, nur einer ist aus dem wesentlich härteren Granit (Trittstein vor der Südtür) und einer aus Basalt (3. von links an der Westseite der Kirche).

Es gibt viele gestalterische Ähnlichkeiten auf den Steinen: In den Ecken finden sich oft die Symbole der vier Evangelisten (Mensch, Adler, Löwe, Stier) und im Zentrum eine biblische Szene wie Kreuzigung oder Auferstehung. Fast immer wird die Stifterfamilie durch ein Wappen oder ihre Hausmarke gekennzeichnet. Auf einem Stein (1. von links, Westseite) ist auch die Stifterfamilie selbst abgebildet, wie wir es auf den Epitaphien (Gedenkbildern) im Inneren der Kirchen häufiger finden. Der Text nennt die jeweiligen Lebensdaten. Den Namen vorangestellt sind standardisierte Wertungen: "Vorneme" und "erbare" Männer finden wir da und "vieltugentsame" Frauen. Eine Grabplatte enthält als Besonderheit zwei Sinnsprüche: "Huden mi, morgen di". Klare Botschaft! Der Spruch "De Lilg vorwelckt/ und bald afualt/ der Adler oldt/ wert Junckgestalt" klingt schon etwas mystischer. Er thematisiert Sterblichkeit und Verjüngung/Wiedergeburt (2. von rechts, Westseite).Einige Platten fanden auch den Weg von der Kirchwarft zu den Häusern der Familien. So liegt z.B. einer bei der Eingangstür auf dem Hof Süden 17. 1962 entzifferte Ludwig Oesau zusammen mit Hans Thoms die damals noch lesbaren Textbestandteile (s. Notiz unten). So können wir durch "eigene" Dokumentation das Buch von 1939 sogar noch um eine Grabplatte ergänzen!

Wer nun einen Gang auf die Kirchwarft plant und die einzelnen Steine aufsuchen will, findet auf unserer Website die ausführlichen Beschreibungen von 1939 (s. unten).

 

Handschriftliche Notiz von Ludwig Oesau

 

Auszug aus: Die Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Kreis Eiderstedt, Berlin 1939, S. 266–269

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