Witzwort vertellt

16. Hedwig Brohm und der Brand in der Dorfstraße

In Witzwort lebte Hedwig Brohm fünfzig Jahre lang. Sie war zum Kriegsende 1945 als Flüchtling nach Witzwort gekommen. Ihre Jugend hat die 1903 in Berlin Geborene in der Märkischen Schweiz verbracht.

„Frollein“ Brohm – auf dieser Anrede bestand sie! –  wäre gern Sängerin geworden, konnte aber keinen Beruf erlernen, da sie sich um ihre vielen Geschwister und ihre kränkliche Mutter kümmern musste. Auf sich gestellt, verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt mit Näharbeiten.

Witzwort und die norddeutsche Landschaft beobachtete und dokumentierte Hedwig Brohm mit viel Geschick und Fantasie. Im Archiv schmücken ihre Pastellzeichnungen die Wand: ein Haubarg, die Hemmingstädter Raffinerie oder einfach die grüne Weite Eiderstedts. In ihren Gedichten setzt sie sich liebevoll mit der Natur, einheimischen Sagen und eigenen Erlebnissen auseinander. Ihr Gedicht „Ringreiten, den 7. Juli 1974“ beschäftigt sich mit dem Brand der Schmiede in der Dorfstraße Nr. 13:

Ringreiten, den 7. Juli 1974

Ein Reiterzug kam die Straße entlang,
denn Ringestechen war heute, –
voran laute Marschmusik erklang
und lockte herbei die Leute.

Es war, als wären sie aufgewacht,
die Häuser bei all dem Treiben, –
und hätten den Reitern zugelacht
mit ihren glänzenden Scheiben.

Nur eines stand da im Morgenwind,
ohne Dach, mit verkohlten Mauern, –
und die Augen waren ihm hohl und blind,
es konnte dabei nur noch trauern.

Und es dachte der alten, entschwundenen Zeit
mit den herrlichen Jugendtagen,
wo noch an seiner Flanke, so breit,
alle Hufe wurden beschlagen.

Da war das Haus noch was wert,
ein Hämmern erklang aus der Schmiede,
da kamen sie an mit Wagen und Pferd,
da war des Sonntags nur Friede!

In der Schmiede, da waren sie noch gebannt,
die gierigen, roten Flammen, – –
nun haben sie doch das Haus verbrannt,
nun stürzte alles zusammen!

Und der Reiterzug, er trappelt vorbei
an den schwarzgebrannten Steinen, – – –
die Jungens, sie blicken so froh und frei, – –
seh’n nicht nach des Hauses Weinen.

Den Lebenden gehört ja die Welt,
das Ringereiten und -stechen!
Heut’ wollen sie siegen auf grünem Feld
und den Mädchen die Herzen brechen!

Das Haus träumt in den Schlaf sich zurück,
als die Reiter vorbei mit den Pferden, – –
und es denkt: Wir kurz ist doch das Glück
von allem, was steht auf der Erden!

 

Das Gedicht stammt aus dem Buch „Im Hauche der Nordsee, Gedichte von Hedwig Brohm“, das Gudrun Mussaeus-Müller im Eigenverlag herausgegeben und mit einfühlsamen Illustrationen versehen hat. Das Foto vom Brand des Hauses stellte Jürgen Rathje der Archivgruppe zur Verfügung.

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