Witzwort vertellt

26. Dorfstraße 12: Gemeindebüro und Gemischtwarenladen

Dem heutigen Wohnhaus in der Dorfstraße 12 sieht man seine interessante Geschichte kaum noch an.

Über der Tür ist noch eine weiße Fläche zu erkennen, auf der man mit Mühe „Gemischtwaren“ entziffern kann (oberes Foto, Schrift nachgearbeitet). Auch die weiteren Beschriftungen lassen sich rekonstruieren: „Drogen“, „Spirituosen“ und „Inh. Franz Vogt“. Drogen? Keine Angst, in Witzwort gab es auch damals kein Rauschgift zu kaufen. Der Begriff „Drogen“ weist auf Drogeriewaren hin wie Waschmittel, Zahnpasta u. ä.  

Das Haus wurde 1881 gebaut. 1889 richtete Franz Berger hier ein Kaufmannsgeschäft und die Post ein (bis 1919). Dann kaufte Willi Jensen das Haus. Den Laden führte bis in die 1940er Jahre hinein Alfred Jakobs als Pächter. In den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren wohnten im Obergeschoss Familie Tedsen und im hinteren Teil des Hauses Familie Maibohm.

Vor dem Laden sind im Winter 1942/43 auf dem unteren Foto zu sehen (von links nach rechts): Elisabeth und Inge Hogrefe, Annedörte und Erwin Bielenberg und hinten, halb verdeckt, Paula Schütt, die am 29. Februar geboren war. Es muss kalt gewesen sein. Das sieht man nicht nur den dick eingepackten Kindern an, auch die Eisschichten an den Fenstern weisen darauf hin. Rechts erkennt man eine Werbetafel der Zigarettenmarke Juno mit dem Werbetext „Ein Begriff für hohe Qualität“. Die Marke Juno wurde übrigens 1943 vorübergehend vom Markt genommen, weil die Fabrikations­gebäude in Berlin zerstört waren. 

Nach 1945 befand sich in der Dorfstraße 12 für einige Jahre das Gemeindebüro von Bürger­meister Johannes Christiansen. Er wurde von der Besatzungsmacht eingesetzt, weil er kein NSDAP-Mitglied gewesen war. Christiansen war 1923 in die USA ausgewandert. Mehrere Geschwister von ihm lebten dort, u.a. ein Bruder, der Schlachter in Oregon war. Mit ihm zusammen bewirtschaftete er eine Farm. 1926 folgte ihm seine Verlobte und sie heirateten in New York. Die beiden Söhne Hans und Carl wurden in Amerika geboren. Nachdem die Familie 1932 zurückgekehrt war, galt Christiansen allgemein als „Amerikaner“.

In den 1950er Jahren wurde im rechten Hausteil wieder ein Kaufmannsladen eingerichtet und auf der  linken Seite entstand 1951 die „Zahlstelle Witzwort“ der Raiffeisenbank. Franz Vogt führte diese Filiale mit seiner Frau Käte, Tochter von Willi Jensen, über 40 Jahre lang.  |  Inge Claussen, Angela Jansen

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