Witzwort vertellt
34. Witzworts Krüge und der Ochsenweg
Vom 14. Jahrhundert an wurden jährlich zehntausende Ochsen von Jütland durch Schleswig-Holstein in die Weidegebiete Nord- und Westdeutschlands und der Niederlande getrieben. Die in Dänemark aufgezogenen Rinder kamen als Magervieh in die Marschen – also auch nach Eiderstedt.
Dort wurden sie fett geweidet, um dann als Schlachtvieh verkauft zu werden. Der Viehtrieb durchquerte ganz Schleswig-Holstein. Diesen Ochsenweg darf man sich allerdings nicht wie eine Autobahn vorstellen, denn damals gab es noch keine festen Straßen. Es war eher ein Bündel von Wegen quer durch das Land. Der Karten-ausschnitt zeigt den Verlauf der Hauptwege. Dörfer und Städte profitierten von den Ossendriften durch Heu- und Strohverkauf, Weideverpachtung oder Stallung. Händler und Treiber kehrten in den Krügen ein. Ihre Blütezeit fand die Ochsenmast in Eiderstedt im 19. Jahrhundert mit dem Export über den Hafen Tön-ning in die wachsenden Industriestädte Englands.
Im Osten von Witzwort – entlang der heutigen B 5, von Platenhörn im Norden bis Reimersbude im Süden – gab es fünf Krüge, die im Zusammenhang mit dem Viehtrieb standen und vermutlich alle über lange Zeit existierten: Gastwirtschaft Platenhörn, Nobiskrug, Blockhaus, Zum Jordan und Kringelkrug. Aber auch der Sandkrug und in Uelvesbüll Smeerkroog und Holstill profitierten von den Viehtreibern. Die Gastwirtschaft Platenhörn existierte bis ca. 1989, bewirtschaftet von der Familie Röhe. Plaat bedeutet Sandbank und Hörn Ecke oder Winkel. Über das Blockhaus wissen wir, dass es im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts von Theodor Schulz und später bis 1958 von seinem Sohn Hermann bewirtschaftet wurde. Der Name ist vermutlich auf eine Flurbezeichnung zurückzuführen, denn es gab hier auch eine Blockschmiede. Der Gasthof zum Jordan existierte sicher bis in die 1960er Jahre. Jordan ist ein häufiger Gaststättenname, der auf den Fluss im Nahen Osten und seine biblische Bedeutung anspielt. Ob hier der Sielzug, über den direkt bei der Gastwirtschaft eine Brücke führte, den Anlass gab? Krüger waren hier u.a. Richard Sünkens, Theodor Knutz, Friedrich Petersen, Heinrich Andreä, Ingwer Knutz und die Familie Schreiber.
Der Nobiskrug trägt den ältesten und interessantesten Namen. Auch Nobiskrüge gab es an mehreren Orten. Die meisten – auch unserer – bestanden bereits um 1400. Die Bedeutung von nobis ist nicht ganz geklärt. Denkbar ist ein Zusammenhang mit „ora pro nobis“ – einem lateinischen Gebetsbestandteil mit der Bedeutung „Bitte für uns“. Das Wort nobis könnte für einen Bittenden oder Pilger gestanden und damit eine Gastwirtschaft bezeichnet haben, in der fromme Leute einkehrten. Dazu passt, dass die Ochsenwege u.a. wegen der vielen Gasthäuser auch als Pilgerpfade dienten. Eine zweite Worterklärung liefern mittel-alterliche Darstellungen, auf denen ein Mann mit einem Bierkrug und dem Wort nobis abgebildet ist – direkt beim Eingang des Fegefeuers (unser Bildausschnitt stammt von 1493). An diesem Ort schmoren nach der katholischen Religion die sündigen Seelen so lange, bis sie gereinigt in den Himmel aufsteigen dürfen. Der Nobiskrug wäre demnach ein Wirtshaus des Teufels gewesen oder zumindest ein Ort der Versuchung (mit Wein, Weib und Gesang). Die uns bekannten Wirte im Nobiskrug waren Henning Hüper, Claus Frahm und zuletzt Thomas Lorenzen, mindestens bis 1924.
Der Kringelkrug erhielt seinen Namen, weil vor der Tür an Schnüren Kringel hingen, die sogenannten Teekringel, die von den Viehtreibern gekauft wurden und zum Tee gegessen wurden. 1900 wurde die Wirtschaft aufgegeben, weil der Krüger Ingwer Knutz seinem Sohn Theodor, der den Jordan übernommen hatte, keine Konkurrenz machen wollte. Quellen: H. Knutz, L. Oesau, M. Rumpf, Wikipedia. Inge Claussen, Angela Jansen