Witzwort vertellt

64: Wilde Wand am Pastorat

Vor 20 Jahren wurde ernsthaft diskutiert, das Witzworter Pastorat abzureißen, da im Mauerwerk Schimmelpilz und Feuchtigkeit saßen und aufgrund schadstoffhaltiger Dämmplatten ein gesundes Wohnen im Gebäude nicht mehr möglich war.

Das Gebäude ist als Kulturdenkmal im Denkmalbuch eingetragen. Für die Sanierung konnte die Kirche nur zwei Drittel der ursprünglich kalkulierten Summe aufbringen. Das waren immerhin noch stolze 600.000 DM. Der Sanierer versicherte dennoch: „Es bleibt erhalten, was erhaltenswert ist“. Die Mauern baute man großenteils aus Kalksandstein neu auf. Die alten, geputzten Ziegel wurden als Verblender davor gesetzt – und, anders als in der alten Wand, in „wildem“ Verband. Im Maueranker, der Zeitschrift der Interessengemeinschaft Baupflege, kritisierte Gerd Kühnast damals unter dem Titel „Hausschlachtung oder arglistige Täuschung“, das historische Gebäude sei „Opfer einer fachlich inkompetenten, ignoranten Erneuerungswut“ geworden und fragte: „Wenn Denkmalschutz von öffentlichen Eigentümern, ob Kommune oder Kirche, wie in Witzwort derart mit Füßen getreten wird, wie soll dann noch von privaten Denkmaleignern die Verpflichtung, überlieferte Geschichte handgreiflich und begreifbar an die kommenden Generationen weiterzugeben, verlangt werden?“

Wir Witzworter sind natürlich froh, dass das Pastorat überhaupt noch steht. Die Fassade hat allerdings ihren Charme verloren, denn alte Maurerkunst und wilder Verband vertragen sich nur schlecht. Der linke Teil der Fassade blieb erhalten. Die Ziegel dieser tragenden Wand sind im Kreuzverband gemauert. Hierbei wechselt immer eine Reihe Läufer (Steine, die parallel zur Wand „laufen“) mit einer Reihe Binder (von denen man nur die kurzen Seiten sieht) ab. So entstehen kreuzförmige Muster, daher der Name. Der Giebel und die rechte Seite wurden neu aufgemauert. Da die neue Ziegelmauer keine tragende Funktion mehr hat, ist sie nur noch eine Ziegelreihe breit. Die halben Steine sind nur zur Abwechslung „wild“ dazwischen gemischt. Das Wandbild wirkt sehr viel unruhiger, besonders da die linke Fassadenhälfte noch zeigt, wie es eigentlich aussehen könnte. An vielen alten Häusern in Witzwort, z.B. in der Dorfstraße, kann man den Kreuzverband noch entdecken.

Das große Foto zeigt das Pastorat Ende der 1940er Jahre – mit Efeu bewachsen und noch als volle Ziegelschönheit. Unten sind links ein Kreuzverband (Muster auf dem Foto markiert) und rechts ein wilder Verband zu sehen, gefunden in der Dorfstraße bzw. an der Kirche.

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