Witzwort vertellt

71: Mit der „schwarzen Ehrbarkeit“ zu Fuß von Paris nach Marseille

Detlef Cornils, geb. am 29. Januar 1937 in Witzwort, erzählt:

„Nach der Schulzeit begann ich 1952 meine dreijährige Ausbildung zum Dachdecker in Husum. Jeden Tag fuhr ich mit dem Fahrrad zur Arbeit.“ Täglich trafen sich am Bütteleck 20 bis 30 junge Leute aus den verschiedenen Dörfern, die  gemeinsam nach Husum radelten. Bei Wind und Wetter, denn bei 11 DM Monatslohn im ersten Lehrjahr war eine Fahrkarte nicht drin.

Detlef Cornils weiter: „Mit dem erfolgreichen Abschluss meiner Ausbildung trat ich in die Zunftgesellschaft der fremden Schieferdecker in Harburg ein. Nach Erwerb der schwarzen Ehrbarkeit musste man sich verpflichten, drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft zu gehen und sich dem Heimatort nicht mehr als 50 km zu nähern. Um aufgenommen zu werden, durfte man keine festen Verkehrsmittel benutzen, musste unverheiratet sowie kinderlos sein, keine Vorstrafen besitzen und sieben Arbeitsstellen nach Beendigung der Wanderschaft nachweisen (drei im Ausland, vier im Inland). Gearbeitet habe ich unter anderem in Österreich, der Schweiz, Belgien, Frankreich und Luxemburg.“ In Harburg, dem Teil von Hamburg, der südlich der Elbe liegt, war die nächstgelegene Zunftgesellschaft. Sie existiert heute noch unter dem Namen „Vereinigung der rechtschaffenen fremden Zimmerer- und Schiefergesellen“ mit Sitz in Kiel. Detlef Cornils war der erste Witzworter, der sich „fremdschreiben“ ließ, d.h. drei Jahre lang auf Wanderschaft ging. Schwarze Ehrbarkeit nennt man den (schwarzen) Schlips mit dem Handwerkswappen der Zunft. Seine minimale Ausrüstung (Arbeitszeug, Waschzeug, Unterwäsche und Werkzeuge) knotete der Wandergeselle in ein Tuch, den „Charlottenburger“. Auch der „Stenz“, der typische gedrehte Wanderstab, war unverzichtbar. Die längste Strecke, die Detlef Cornils während seiner Wanderschaft zu Fuß zurücklegte, war der Weg von Paris nach Marseille – immerhin knapp 800 Kilometer! Zusammen mit einem Kollegen war er bald sechs Wochen unterwegs. Und in Marseille waren sie von dem großen Hafen, im Krieg unzerstörten Hafen sehr beeindruckt. Das meiste Geld verdienen konnte man damals in der Schweiz. Deshalb blieb er im Berner Oberland gleich für ein Jahr. Und hat dort auch das Skilaufen gelernt.

„Nach drei Jahren ging es langsam wieder Richtung Heimat“, fährt Detlef Cornils fort. „Auf Sylt ließen mein Reisekamerad und ich uns „einheimisch“ schreiben. Das bedeutete das Ende der Wanderschaft. Von Sylt ging es weiter nach Föhr zur Arbeit. Dort lernte ich meine Frau Inge kennen. Wir heirateten am 5. Mai 1962 und bauten unser Haus im Kirchenweg im ehemaligen Garten von Friedrich Johannsen. 1967 besuchte ich die Meisterschule in Mayen und legte die Meisterprüfung am 15. Mai 1968 in Flensburg ab. Anschließend machte ich mich selbständig. Zwölf Jahre lang war ich zusätzlich als Sachverständiger für die Handwerkskammer Flensburg tätig. Da die Firma rasant wuchs, bauten wir erst eine Halle im Ohlfelderweg (heute Süderohlfelderweg), danach ein Wohnhaus. In unserem Betrieb waren zwölf Mitarbeiter beschäftigt. Nach 50 Jahren wurde die Firma aus gesundheitlichen Gründen geschlossen. Am 15. Mai 2018 erhielt ich von der Handwerkskammer den goldenen Meisterbrief.“  

Die Fotos zeigen Detlef Cornils auf Wanderschaft und auf Sylt beim „Einheimisch schreiben“ (vorne links).

Erinnerungsstücke an die Wanderzeit

Detlef Cornils mit seinem Charlottenburger (das Tuch, in das auf der Wanderschaft die persönlichen Habseligkeiten eingeschlagen werden)

Ein Mitbringsel

unterwegs ...

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