Witzwort vertellt

80: Von den Witzworter Nachtwächtern

Einen Nachtwächter beschäftigten früher viele Dörfer und Städte. Stündlich machte er auch in Witzwort seinen Rundgang und sagte die Zeit an.

Er war auch als Brandwache unterwegs – bei den dicht stehenden, früher reetgedeckten Häusern in der Dorfstraße eine wichtige Aufgabe. Immerhin gab es zwei große Brände im 18. und 19. Jahrhundert.

Gerd Stolz schreibt 1979 im Heimatkalender Nordfriesland, dass es überwiegend Arbeiter oder kleine selbständige Handwerker (häufig Schuster) waren, die tagsüber ihrem Hauptberuf nachgingen. Seit 1867 gehörte Witzwort zu Preußen. Ab dieser Zeit waren die Nachtwächter der Polizei zugeordnet. Stolz erwähnt, dass um 1900 z.B. in Niebüll und Dagebüll ganzjährig ein Nachtwächter unterwegs war, in Westerland und anderen Gemeinden aber nur im Winterhalbjahr. 1914 trat in der Provinz Schleswig-Holstein eine einheitliche Regelung für die Landgemeinden in Kraft. Der Nachtwächter hatte nun vom 1. Oktober bis 1. April täglich von 22 bis 4 Uhr jede Stunde das Dorf „abzupatrouillieren“ und „und zum Zeichen seiner Dienstausübung von Zeit zu Zeit ins Horn zu stoßen und die Stunde abzurufen“. Nach dem 1. Weltkrieg wurden die Nachtwächteraufgaben von der kommunalen Polizei mit übernommen.

Längstens bis 1918 kann es also einen Nachtwächter in Witzwort gegeben haben. Jakob Martens, den Hans Knutz in der Chronik als letzten Nachtwächter Witzworts nennt, war 1863 geboren. Es kann also gut sein, dass Knutz, der Jahrgang 1902 war, ihn noch selbst erlebt hat. Er schreibt, dass Martens von Gaststättenbesuchern bisweilen mit Schnaps versorgt wurde und dann besonders engagiert ins Horn geblasen und die Stunde „ausgesungen“ hat: „De Klock hett dree slaan“. Knutz berichtet auch, dass 1860 im Haushalt 49 Reichstaler zur Entlohnung des Nachtwächters eingeplant waren. Das entspräche heute nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank ca. 1470 Euro im Jahr. Falls die Arbeit ganzjährig zu tun war, bedeutete dies bei täglich ca. 6 Stunden einen Stundenlohn von 67 Cent! Kein Wunder, dass der Nachtwächter an Neujahr von Haus zu Haus ging, um dieses magere Gehalt etwas aufzubessern.

Auch Peter Paulsen erwähnt in seinen Jugenderinnerungen einen Nachtwächter (um 1900): „… denn kem de Nachwächter Clas Peters (Slotter) mit de Lüch in de Hand und reep to jeder Stün denn ut: ,Tut de Klock het tein slan’ u. s. wieder. (…) Denn wär dor een runde Schillerhus [Wächterhäuschen] un dor konn he rin gehen, dat stun achder Jann Dierks [Kaufmann, heute Edeka] sein swarte Schuppen, wie Kinner sind dor ock mal rinkrapen wenn et op wär.“

In der Zeitschrift „Heimat“ berichtet 1923 ein ehemaliger Preetzer aus seinen Kindertagen: „De Nachwächder dreih die Rassel un reep: „De Klock hätt veer slagen, veer is de Klock!“. (…) Nu güng de Rassel noch eenmal un denn weer’t still. Harr de Nachwächder so sin Tour to’n letzten Mal makt, denn harr he för de Nach sin Plich dan; he güng na Hus un slöp noch en Strämel, Klock 7 oder Klock 8 güng he up sin Arbeid; denn Nachwächder weer he man nebenbi bi sin Geschäff. Eeen weer Murmann, en anner weer Wäwer.

Aus Witzwort gibt es noch die tragische Geschichte des Nachtwächters Johann Schröder aus der Dorfstraße. Er war 1829 in Oldenswort geboren und mit Anna Dorothea, geb. Elsen verheiratet – und erhängte sich am 28. Mai 1889. Die 1937 beglaubigte Abschrift der Sterbeurkunde ihres Urgroßvaters hat Elsabe Petersen aus Uelvesbüll zusammen mit einem Zettel aufgehoben, auf dem handschriftlich notiert ist: „Im Dienste als Nachtwächter ist er von dem Hofbesitzer Ferdinand Jens angegangen wurden. Und da die Sache ein gerichtliches Nachspiel hatte ist er aus Furcht vor dem Gericht da er niemal zum Gericht gewesen war freiwillig aus dem Leben geschieden.“  Ob er zu Recht oder zu Unrecht beschuldigt worden war, worum es ging und ob seine Witwe die Notiz geschrieben hat, werden wir leider nie erfahren.

Inge Claussen, Angela Jansen

Quellen: Gerd Stolz, Von Schutzleuten, Gendarmen und Landjägern, Ein Beitrag zur Geschichte der Polizei in Nordfriesland, in: Heimatkalender Nordfriesland 1979, S. 93-109; E. Geckler, Ut Preetzer vergahn Tieden, in: Die Heimat, Nr. 12, Dezember 1923, S. 252-254

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